Eine der wohl wichtigsten Regeln bei einer Erzählung lautet „Show ‘em, don’t tell ‘em!“. Kurzum: eine gute Geschichte profitiert enorm davon, wenn sie sich über die visuelle Ebene auf den Zuschauer überträgt und sich nicht permanent durch Dialoge, Einschübe oder Texttafeln erklärt. Heutige Streamingproduktionen verfolgen leider vermehrt ein anderes Credo und bereiten ihre Inhalte so benutzerfreundlich wie möglich auf. Egal ob nebenbei am Handy gespielt, der Haushalt geschmissen oder kurz ins Land der Träume ausgeflogen wird – am Ende summieren Charaktere oder voice-over die komplette Handlung, sodass hinterher jeder behaupten kann, dass er durch kognitives Geschick den Film durchschaut hat.

von Cliff Lina

Der amerikanische Regisseur Brian Duffield hält davon offenbar wenig und präsentiert mit „No one will save you“ einen Film der besonderen Art. Nicht nur, dass seine Protagonistin während der ganzen anderthalbstunden lediglich durch Mimik und geäußerte Laute kommuniziert, auch der Rest des spärlich besetzen Casts verweilt stumm, sodass die Dialoge auf einen Aluhut passen. Der Fokus liegt auf Empfindungen und visuellen Reizen, die eine Story entfalten, die komplett unvermittelt daherkommt: Eines Nachts wird Brynn von Aliens heimgesucht. Das ist kein Spoiler, sondern Gegenstand der ersten 15 Minuten und nicht zuletzt Aufhänger des Trailers. Warum und weshalb das alles passiert ist allerdings die große Frage, deren Beantwortung die eigentliche Kernthematik darstellt.

Wir lernen schnell, dass der Grund irgendwo tief in Brynns Vergangenheit verborgen liegt. Seit einem Vorfall in früherer Kindheit hat sich die junge Frau von der Gesellschaft entfremdet und wird beinahe selber behandelt wie ein Alien. Kommunikation findet lediglich non-verbal und teils via Körpersäften statt, und auch wenn sich Brynn offenbar mit ihrem isolierten Dasein angefreundet hat, nagt etwas innerlich an ihr und manifestiert sich in wehmütigen Blicken zurück. Als dann plötzlich mitten in der Nacht der Strom ausfällt und ein grünes, respektive graues Männchen durch ihr Heim streift, wird Brynn mit aller Macht in die Gegenwart katapultiert und muss um ihr Leben fürchten. Aus seinem creature design macht „No one will save you“ kein Geheimnis. Die Figuren sind vom Start weg zu sehen, biedern sich am typischen Abbild an und können so leider auch selten für Grusel sorgen. Das ändert sich im weiteren Verlauf mit der Etablierung weiterer Darstellungsformen, ein bisschen mehr Geduld bei der Enthüllung hätte allerdings nicht geschadet.

Generell sind es die Kreaturen, die einen großen Schwachpunkt darstellen. Entgegen der eigentlichen Ausrichtung, dem schön eingerichteten Eigenheim, tollen Kameraeinstellungen und dem Mut auf Dialoge zu verzichten, sind die Widersacher beinahe lieblos gestaltet und verhalten sich zu allem Überfluss auch noch tendenziell tollpatschig. Natürlich kann das auf einem fremden Planeten durchaus passieren, doch wenn die Übermacht in Form von telekinetischen Fähigkeiten durchblitzt und in der nächsten Szene urplötzlich eine Bratpfanne zum Endgegner wird, ist das schlecht ausbalanciert und saugt die Immersion aus der Geschichte. Diese wiederum wartet lange Zeit bis zur Auflösung und krankt zu diesem Zeitpunkt bereits daran, dass die Geduld strapaziert wurde. So großartig Kaitlyn Dever sich auch präsentiert und durch das Drehbuch zu ihrer bis dato besten Karriereleistung genötigt wird, so verkrampft wirkt der Versuch ihre emotionale Geschichte mit den typischen Horror/Sci-Fi Eckpfeilern zu verbinden. Spätestens im letzten Drittel fühlt es sich endgültig so an als würden zwei Filme parallel zueinander verlaufen, und keiner davon kann am Ende so wirklich überzeugen.

Fazit

Bei „No one will save you“ vermischen sich typische Home Invasion Elemente mit einer sehr speziellen Art der Vergangenheitsbewältigung. Beide Dinge koexistieren, greifen aber nie ineinander und hinterlassen mehr Fragen als Antworten. Das ist insofern schade, weil der Film atmosphärisch punkten kann und Kaitlyn Devers wortkarge one-woman-show eindrucksvoll ist – letztlich hätte eine homogene Ausrichtung dem Werk aber besser zu Gesicht gestanden.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(57/100)

Bilder: ©20th Century Studios